WORÜBER MAN NICHT REDEN KANN, DA SOLL MAN MALEN |
Ein Porträt des Kandeler Künstlers Peter Haese - Grieshaber-Schüler, Dynamiker, scheinbar ein Macho, aber mit ganz viel Gefühl |
VON UNSERER MITARBEITERIN Er entstammt einer äußerst produk- |
chen und vielfach ausgezeichnet, 1992 zum Beispiel mit dem Kunst- preis der Pfälzischen Wirtschaft. Aber auch zahllose Ausstellungen in Rhein- land-Pfalz und Baden-Württemberg zeugen vom kreativen Starrsinn dieses Künstlers, der nie, wie er im Gespräch offen zugibt ,,die Nerven und den Mut hatte", freischaffend tätig zu sein und stattdessen lieber Kunsterzieher am Wörther Europa-Gymnasium wurde. Gerade die solide Einbindung in den Lehrerberuf verschaffte ihm die Frei- heit, seine malerische Ausdruckskraft ungehemmt und ohne Angst vor Exis- tenzsorgen fließen zu lassen. Sogar einen Roman hat Peter Haese in der Schublade, weil er sich zwi- schen Malerei und Schreiben lange nicht entscheiden konnte. (Vorbild für seine literarischen Ambitionen: Mu- sils ,,Mann ohne Eigenschaften".) Und in der Scheune seines Kandeler Grund- stücks lagern in der Tat Hunderte von Gemälden, die sämtlich im Hof des Anwesens - manchmal bei Gefrier- punkttemperaturen - entstanden, da |
der Künstler große Formate unter frei- em Himmel zu malen pflegt. Zu sa- gen, Haeses Arbeitswut sei nicht zu bremsen, ist also keine Übertreibung. Im Gegenteil. Die Tage werden kom- men, da ihm seine Bilder buchstäblich über den Kopf und aus dem Haus he- raus wachsen. Dabei blieben Peter Haeses Pinselschwünge tatsächlich all die Jahre heftig und direkt, man kann es sehen beim ,,Bilder-Blättern" im aus- gelagerten Archiv. Sein malerisch so lust- wie effektvoller Umgang mit un- verhüllten, deftigen ,,Aphroditen", vo- luminösen ,,Beach-Ladies" und kauf- süchtigen ,,Aldi-Girls", aber auch gro- ben Kerlen mit aufgerissenen Mäulern auf Power-Maschinen, überhaupt sei- ne Auseinandersetzung mit dem menschlichen Körper beiderlei Ge- schlechts scheint ungebrochen. Im Gespräch aber wirkt der im Künstlerischen so wenig ,,politisch kor- rekt" erscheinende, eben eher vital und stürmisch arbeitende Künstler er- staunlich sanft und sensibel und be- hauptet, nicht etwa ,,Macho"-Bilder, |
sondern stets ,,Adorationsbilder" ge- malt zu haben. Was kann er dafür, dass die Welt so sehr die Zähne bleckt, dass er sie immer wieder genau so und nicht anders malen muss? Auch die zeichnerische Begegnung mit dem eigenen Gesicht ist ihm nicht fremd, er übt sie täglich, die selbstquä- lerische Revision. Und seit dem 11. Sep- tember hat Peter Haese sich auch er- laubt, seine Eindrücke vom tagelan- gen, hilflosen und obsessiven Fernseh- Horror-Trip als eine Art überdimensio- niertes Diarium radikal zu visualisie- ren. Zahlreiche schnell und spontan ,,hingeworfene" Blätter entstanden so, und die Besucherin erkennt erstaunt, dass Haese zur Formulierung des nicht enden wollenden Schreckens sein Ausdrucksprinzip nicht unbe- dingt ändern musste, höchstens ver- schärfen und zuspitzen. Denn jene Disparatheit, die auch schon vorher seine Arbeiten kenn- zeichnete, jene nicht mehr rückgängig zu machende Trennung von Körper und Psyche, die Haese auf seinen Bil- |
dern bis zum Exzess, ja, bis zur Zerstö- rung der körperlichen Ganzheit be- trieb, sie hat ihn bei der bildnerischen ,,Schilderung" von ,,Ground Zero" auf eine furchtbare Weise eingeholt. Höchstens andere Vorzeichen erhielt seine so forsch und unbarmherzig zum Ausdruck gebrachte Aggressivi- tät, die sich um die Grenzen des so genannten guten Geschmacks nie kümmerte .Denn jetzt hat der Künst- ler die zerstückelten Opfer gemalt und nicht die einsamen Hedonisten und Voyeure in der frivolen Leichtigkeit ih- res Seins, - und innerhalb seiner im- mer noch so raumgreifenden Dyna- mik mutet dies plötzlich fast defensiv und merkwürdig paradox an. Es wäre zu wünschen, dass Haese seine Bilder vom 11. September mög- lichst bald ausstellt: bevor die Schre- cken der Realität mit medialen Mitteln in den Bereich der Fiktion gerückt worden sind. Denn wovon man nicht adäquat sprechen kann, sollten die Ma- ler wenigstens malen dürfen. So sie es wollen. Und können vor allem. |